NACHRUF ANNELIESE

von Renate Kraemer

Am 22.04.2009 ist unsere Bewohnerin Anneliese A. verstorben.

Trotz ihrer schweren Erkrankung schaute Anneliese immer nach vorne. Hatte Ziele – gab nicht auf, in Würde ihren Alltag zu gestalten. Immer wieder sagte sie zu uns: „Ihr werdet nicht erleben, dass ich einen Antrag auf eine Pflegestufe stellen oder zustimmen werde – niemals werde ich in diese Situation kommen“. Ihre letzten Tage verbrachte sie auf der Palliativstation vom Malteserkrankenhaus. Auf Anfrage der Ärzte, eventuell einen Pflegeantrag zu stellen, lehnte sie diese Möglichkeit mit großer Entschiedenheit ab. Diesen Wunsch wollte sie respektiert wissen – es war als würde sie diesen Wunsch wie eine Forderung an das Leben stellen. Und das Leben schien ihr diese Kraft zu geben.

Ende Januar durchlitt sie eine tiefe gesundheitliche Krise und musste in das Krankenhaus – hier sprach man von nur wenigen Tagen, die sie vielleicht noch leben würde. Aber bereits 14 Tage später saß Anneliese wieder in ihrem Apartment. Körperlich sehr schwach, gab sie als erstes die Order an mich: der Rollstuhl und der Rollator sind in zwei Tagen aus dieser Wohnung verschwunden. Sie weigerte sich vehement, der körperlichen Kraftlosigkeit nachzugeben. Sie wollte nach vorne schauen – für sich, für ihre Tochter und für ihre Enkelin. Bis zu ihrem Tode wurde sie täglich von ihrer Tochter und Enkelin besucht, umsorgt. Anneliese drängte in ihrer bestimmten, aber freundlichen Art und Weise auf eine zeitnahe Taufe ihrer Enkelin – wir berichteten ausführlich darüber.

Die wahren stillen und traurigen Minuten und auch Stunden behielt sie fast ausschließlich für sich und ließ nur wenige Menschen in ihre Seele schauen – sie machte viel mit sich selber aus – und wusste viel über sich und den nahenden Tod. Aber sie wollte niemanden belasten – wollte selber nicht jede Minute an den Tod erinnert werden. Selbstbestimmtheit, normaler Alltag und „seine Sachen erledigen zu können“ - hatten Priorität in ihren letzten zwei Monaten vor ihrem Tode.

Auf der Palliativstation vom Malteserkrankenhaus fühlte sie sich am rechten Platz. Jeden Morgen saß sie auf der Terrasse und trank ihren Kaffee – besprach mit mir ihre Zukunftspläne wenn ich sie besuchte, aber in jedem Abschied lag das leise Wissen um die Wahrheit.