PATIENTENVERFÜGUNG

von Christiane Ohl

Seit rund 6 Jahren wird in der Bundesrepublik auf verschiedenster Ebene über die Bedeutung und Verbindlichkeit von Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten beraten und diskutiert. In dieser Zeit entstanden etliche Gesetzesentwürfe, die korrigiert oder wieder verworfen wurden, fanden Expertenanhörungen statt, tagte die Enquete-Kommission. Nicht alles was in dieser Zeit angedacht und über die Medien verbreitet wurde, war richtig und hilfreich. Vieles trug zusätzlich zur Verunsicherung bei. Dennoch war es eine ungeheuer wichtige Debatte, wurde doch mit ihr dieses uns alle betreffende Thema in eine breite Öffentlichkeit getragen.

Die vielzitierte Rechtsunsicherheit begründete sich jedoch mehr in einem schwerwiegenden Wissensmangel der Beteiligten in den konkreten Situationen, als in der tatsächlichen Rechtssprechung. Allein dadurch wurde eine rechtliche Klarstellung notwendig. Es galt eine sensible Balance zwischen Patientenautonomie und staatlicher Fürsorge zu erreichen. Die Angst vor Fremdbestimmung am Lebensende hat bereits 8-10 Mill. Bundesbürger veranlasst, eine Patientenverfügung zu erstellen.

Nun haben sich - auch für Insider überraschend – am 18.06.09 die Abgeordneten des Deutschen Bundestags fraktionsübergreifend mit 317 zu 233 Stimmen auf den Entwurf der Abgeordnetengruppe um Herrn Stünker geeinigt. Dieser Antrag beinhaltet:

· Verankerung der Patientenverfügung im Betreuungsrecht
· Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Schriftform
· Der Wille des Betroffenen ist unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung zu beachten (keine Reichweitenbegrenzung)
· Es gibt keine Pflicht zur Erstellung einer Patientenverfügung
· Anrufung des Vormundschaftsgerichts nur im Falle des Dissens zwischen Arzt und Bevollmächtigten/Betreuer
· Festlegungen, die auf eine verbotene Tötung auf Verlangen gerichtet sind, bleiben unwirksam

Im Unterschied dazu sahen die anderen Entwürfe u.a. eine Beratungspflicht und Reichweitenbegrenzung (Bosbach-Entwurf) bzw. die Verbindlichkeit auch mündlicher Verfügungen und eine in jedem Fall „individuelle Betrachtung“ vor; „Sterben ist nicht normierbar“ (Zöller-Entwurf). Ein weiterer Antrag von dem Abgeordneten Hüppe u.a. „Gesetzliche Überregulierung der Patientenverfügung vermeiden“, der sich gegen jede Form der gesetzlichen Regelung aussprach, fand ebenfalls keine Mehrheit.

Die beiden großen Kirchen kritisieren, dass das neue Gesetz „einseitig die Selbstbestimmung des Patienten betont“ (Erzbischof Dr. Robert Zollisch, Deutsche Bischofkonferenz) und sehen „keine Verbesserungen gegenüber der bisherigen Rechtslage“ (Bischof Wolfgang Huber, Vorsitzender EKD).

Wie sich das neue Gesetz im Alltag auswirkt, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen, wenn die ersten Urteile gefällt wurden. Sicherlich ist der Anspruch an die beratenden Stellen gestiegen. Bei der Erstellung einer Patientenverfügung ist höchste Sorgfalt angezeigt. Sonst wird an Ende etwas verbindlich, was niemand so gewollt hat.