FRAGEN UND ANTWORTEN ZU
"LAURAS TRÄNENSEE"

Die Fotografin Nadine Stange und der Hospizhelfer Johannes Münninghoff, die sich auf künstlerischen Wegen dem Thema Tod genähert haben, über ihren Film "Lauras Tränensee"

 

Welche Idee/Motivation steckt hinter „Lauras Tränensee“?

Lauras Tränensee ist ein weiterer Versuch, das Tabuthema Tod in die Öffentlichkeit zu bringen. Neben der Ausstellung und dem Buch, beides mit dem Titel „Über Sterben und Tod“ soll auch dieser Film die Menschen genauso treffen wie der Tod, manchmal auf einem langen Weg, manchmal plötzlich und unerwartet.

Woher kommt diese starke Beschäftigung mit dem Tod?

Nadine Stange: Bereits in meinem Beruf als Arzthelferin begegnete mir der Tod. Konkreter, persönlicher erlebte ich ihn, als mir im Alter von 25 Jahren die Fehldiagnose eines malignen Melanoms (Hautkrebs) gestellt wurde und ich fast zeitgleich schwanger wurde. Im Wechselbad extremster Gefühle, Todesangst und grösste Vorfreude auf das Kind, mit vielen aufkommenden Fragen und Gedanken, traf ich auf den Hospizhelfer Johannes Münninghoff (Johannesspricht). Schnell war klar, dass seine Art des Ausdrucks, sein Schreiben, und meine Art des Ausdrucks, meine Bilder, miteinander harmonisieren und sich hervorragend ergänzen. Erwähnen möchte ich auch, dass ich mich nicht ausschließlich stark mit dem Tod beschäftige, sondern ich versuche mit meinen Bildern zu unterschiedlichen Themen Gefühle und Emotionen zu transportieren und auszulösen. Die Tabuthemen Sterben und Tod finden sich in meinen Bildern genauso wie das Tabuthema Missbrauch wieder und auch in anderen Bereichen bediene ich mich der Sprache meiner Bilder.

Johannesspricht: Lange Pflegezeiten meiner Eltern hinterließen Spuren. So war der Gedanke auch an den eigenen Tod einfach nicht zu ignorieren. Aus der dann folgenden ehrenamtlichen Beschäftigung als Lebensbegleiter in einer Hospizinitiative resultierten einige Gedichte, und aus den ersten Gedichten zum Thema Tod und aus der Begegnung mit Frau Stange entstand die Idee von Buch und Ausstellung. Aber lassen Sie mich eines anmerken: Eine starke Beschäftigung mit dem Tod heißt ja nicht, denselben herbei zu sehnen, sondern eher, sich an den Farben des Lebens in allen Facetten erfreuen. Gedenke deines Todes und singe und tanze, solange du lebst.

Welches Feedback erhalten Sie auf Ihre Arbeit (Bücher, Filme oder Ausstellungen)?

Das Gästebuch der Ausstellung (die meisten Eintragungen sind auf unseren Homepages nachzulesen) und die Gespräche mit den Menschen, die unsere Ausstellung sehen, stimmen uns sehr froh. Immer wieder dankt man uns für unsere klaren Worte und Bilder. Hierbei fällt auf, dass Pflegepersonal eher ein Problem mit unseren Aussagen hat als die weit persönlicher betroffenen Patienten. Besonders interessant war für uns unsere Ausstellung in der Klosterkirche Himmerod, wo wir die Ausstellung nicht beworben hatten und die Besucher der Kirche deshalb unvermittelt mit dem Thema Tod konfrontiert wurden. Zahlreiche, tägliche Gespräche mit den Besuchern vermittelten uns neue Eindrücke und zeigten uns, dass der von uns begonnene Weg Zuspruch findet.

Warum ist der Tod ein solch starkes Tabu in unserer Gesellschaft?

Früher gehörte Gevatter Tod zum Leben. Nicht zuletzt durch den medizinischen Fortschritt verlagerte sich das Lebensende sowohl zeitlich als auch örtlich. Zuhause stirbt man heute nur noch selten. Und vor allem nicht mehr am Alter, sondern allenfalls an einer Krankheit. Meine Oma durfte noch an „Altersschwäche“ sterben, heute ist dies durch die Weltgesundheitsorganisation als Todesursache verboten. Für Tod ist man entweder krank oder hat einen Unfall. Und in beiden Fällen bleibt man nicht zuhause. Kein Wunder, dass ein Großteil unserer Mitbürger noch nie einen Toten berührt, gesegnet oder umarmt hat.

Wie kann man dieses Tabu eventuell brechen?

Brechen? Überhaupt nicht. Aber vielleicht ein klein wenig daran mitarbeiten, dass der Tod uns wieder Gevatter wird, uns näher ist und seinen Schrecken verliert. Hoffnung geben müssen wir alle, ganz egal worauf sich diese Hoffnung gründet. Und wenn ein Mensch mich fragt wie es sein wird hinter der Tür, durch die er zu gehen hat, so reicht es doch, ihm aus voller Überzeugung mitzugeben, dass es dort gut sein wird, ganz egal wie dieses Gutsein aussehen wird. Denn übersteigen wird es unser Begreifen allemal.

Was wünschen Sie sich in Zukunft für Ihre Arbeit?

Mehr Institutionen mit dem Mut unsere Ausstellung zu ordern, mehr Plätze, besonders Kirchen, um ausstellen zu können, mehr Leser unseres Buches und Zuschauer unseres Filmes. Und vor allem Menschen, die bereit sind, sich dem Thema Tod und anderen Tabuthemen zu stellen. Und ganz konkret wünschen wir uns einen immer gespitzten Bleistift und eine griffbereite Kamera für Texte und Bilder zu den verschiedensten Momenten des Lebens. Daneben freuen wir uns über Ihren Besuch unserer Homepages www.nadine-stange.de und www.johannesspricht.de.

Für den Bonner Großraum möchten wir noch darauf hinweisen, dass am 10.9.2008 ab 19.30 Uhr im Anton-Heinen-Haus, Kirchstr. 1b in 50126 Bergheim eine Ausstellungseröffnung mit Lesung und Gespräch stattfindet. Anmeldungen hierzu bitte direkt an die Bildungsstätte. Wir freuen uns auf Sie.